Above the Ordinary

a mountain bike photo blog

Salzkammergut Trophy Extreme im Selbstversuch

Die Daten klingen erschreckend. 211,3km, 7049 Höhenmeter. Das ist die Extreme Strecke der Salzkammergut Trophy 2012.

Mich schaudert noch immer, wenn ich daran denke. Ich hätte es für fast unmöglich gehalten, so eine Distanz als Rennen zu fahren, wüsste ich es im Nachhinein nicht besser. Für alle die es selbst einmal probieren möchten, vielleicht aus der gleichen verrückten Laune heraus wie ich, vielleicht auch weil es sonst keine Herausforderungen im faden Marathonfahrer-Dasein mehr gibt…warum auch immer…für alle die hole ich jetzt ein bisserl weiter aus.

Wieso?

Angefangen hat es so, daß ich mich eines Abends von Flo angestachelt gefühlt habe und mich spontan für die A Strecke der Salzkammergut Trophy angemeldet habe – so wie er. Es war der 17.2.2012. Wir saßen beim Hooters und haben den restlichen Abend mit sehr viel Bier und Spaß verbracht. Flo, Walter und ich, wir werden zu dritt auf der A Strecke starten…!

Ab diesem Zeitpunkt war für mich “klar”, daß ich dieses Rennen in den erforderlichen 16h beenden möchte und das schwarze T-Shirt einen Platz in meinem Kleiderschrank finden wird. Es darf einfach nicht passieren, daß ich eines der Zeitlmits verfehle und möglicherweise nach drei Viertel der Strecke in den Bus einsteigen muß. Um dieses Ziel zu erreichen bin ich im Frühjahr mehr am Bike gesessen als in den Jahren davor, habe aber keine Minute mit Einheiten am Radl verbracht die mir keinen Spaß gemacht hätten. Ein Leistungstest ende März dieses Jahres hatte gezeigt, daß es möglich ist die Strecke in sechzehn Stunden zu bewältigen, wenn ich keine all zu langen bikelose Wochen haben würde.

Rückblickend habe ich fast aussschließlich mit meinem 301 im schweren Enduro Aufbau trainiert, immer mit Rucksack, habe Protektoren und sonstiges Klump bei mir gehabt und bin ordentliche Bergtouren gefahren die ich auch sonst gefahren wäre. Eben nur öfter… Mir war es wichtig, die Form für das Rennen mit einer Art von Training zu erreichen die mir Spaß macht (inklusive vier Tagen Alpentour Trophy, das musste sein um Rennluft zu
schnuppern). Aber reicht das? Geht das überhaupt?

Zwei Tage vor dem Rennen war ich erstaunlicher Weise ziemlich nervös. Ich kenne das Gefühl so normalerweise nicht, aber irgendwie fühlte sich alles zu perfekt an. Körperlich ging es mir richtig gut, nur das Wetter machte mir ein bisserl Sorgen – aber das konnte ich eh nicht ändern. Geschlafen habe ich die beiden Nächte davor nicht gut, was mich aber nicht verwundert hat.

Der Tag des Rennens

Um 03:10 Uhr klingelt der Wecker, ich fühle mich komplett gaga. Der Vortag mit der Anreise und dem ganzen Drumherum war anstrengend und ich habe sehr schlecht geschlafen. Nach dem Frühstück und den 2,5km zum Start fühlt sich aber alles wieder gut an. Die Stimmung am Start ist bereits um 04:30 Uhr hervorragend. Angeheiterte Leute von der Ö3 Party feuern uns an, haufenweise “Fans” stehen neben der Strecke. Einfach geil!

salzkammerguttrophy_1
Los geht’s! Der Start ist im Vergleich zur Alpentour Trophy total angenehm. Alle bleiben entspannt, es gibt keine Deppen die sich gemeingefährlich vorbeidrängeln wollen. Super!

Ab da heißt es nur noch treten, treten, treten… so lange es sich richtig anfühlt, möchte ich das gute Gefühl nutzen und möglichst viel Vorsprung auf die Zeitlimits herausfahren. Wir haben uns vor dem Rennen ausgerechnet, daß man mit mindestens einer Stunde (oder gerne 2….) Vorsprung bei km 180 sein sollte, aber das ist zu diesem Zeitpunkt einfach noch unglaublich weit weg. Viel zu weit…

Ich fahre immer nur von Gipfel zu Gipfel, versuche nicht an das was danach kommt zu denken. Es gelingt mir aber nicht. Sätze wie: “Noch 6000 Höhenmeter!”, schwirren mir im Kopf herum. Sie demotivieren mich aber nicht, sondern bauen mich irgendwie auch auf, weil ich mir gleichzeitig denke “Ha, ich bin jetzt schon zwei tausend Höhenmeter gefahren und fühle mich noch ganz normal”. Das tut gut! Mich wundert allerdings, daß es schon zu Beginn teils recht knackig nach oben geht und man zum Schieben gezwungen wird. Ich kenne die Strecke ja nicht….(wollte ich auch nicht). Ob das gut geht?

salzkammerguttrophy_2salzkammerguttrophy_3salzkammerguttrophy_4
Bei Assistenzpunkt 6 (AP6), bzw nach 68km, 2249hm und 4h06min treffe ich zum ersten Mal meine beiden Betreuer (DANKE DANKE DANKE!!!), die mir die sich ständig öffnende Powerbar Flasche von der Labe gegen eine eigene tauschen und mich super anfeuern. Ich bin bereits 1h und 39min vor dem Zeitlimit. WAHNSINN! Das tut gut. Bis hier her bin ich fast immer gemeinsam mit Flo und anfangs mit Walter gefahren. Lustig, unterhaltsam und motivierend!

salzkammerguttrophy_5
Das Rennen verläuft weiter ziemlich unauffällig und gut für mich. Flo habe ich bei einer Abfahrt von der Blaa Alm leider verloren. Warten will ich aber auch nicht, obwohl ich mir sicher bin, daß er sehr knapp hinter mir sein muß. Ich treffe immer wieder die gleichen Leute. Zwei davon sind die A Strecke schön öfters gefahren. Beide unter 14h und einmal sogar knapp an der 13h Grenze. Wow, wir haben zwar noch lange nicht Halbzeit, aber ich bin anscheinend echt gut in der Zeit. Ich rechne immer noch mit 16h, weil ich den “Mann mit dem Hammer” irgendwann erwarte. Ich taste mich weiter…Gipfel für Gipfel.

Von km 80 geht es in vier Zacken hinauf zur Hütteneckalm. Diesen Abschnitt habe ich gehasst. Zum ersten Mal muß ich länger schieben (es ist ohnehin so steil, daß Schieben nicht langsamer ist), finde den Berg einfach etwas zu steil, kann das was gut fahrbar ist zwar fahren, muß aber etwas mehr Kraft auf die Kurbel bringen als ich dauerhaft gut finde. Ab hier tue ich mir schwer das Höhenprofil am Lenker richtig zu lesen. Ich schaffe es nicht
mehr die Linien abzuzählen und rate wie weit es nach oben geht. Der Ausdruck ist zu klein für diesen Zeitpunkt. Das nervt, aber es hilft eh nix. Ich weiß, daß beim AP3 (ca 107km ? Halbzeit!) meine Betreuer wieder da sein werden um mich anzufeuern. Einbruch habe ich keinen, doch sonderlich gefallen will mir der Abschnitt hier nicht. Es geht gut, aber der Gedanke daran, daß ich nicht einmal noch die Hälfte geschafft habe demotiviert ein
bisserl. Durchbeißen!

Irgendwann nach 5 oder 6 Stunden bin ich nervös, Plötzlich sind hier nur noch B Fahrer. Shit!! Alle sau langsam! Einer schreit mich an, daß ich hier falsch bin. Andere brüllen ich soll umdrehen. Ich bin verwirrt. Ich fahre ein paar Meter zurück und sehe Andi Goldberger, der an diesem Tag ebenfalls auf der A-Strecke gestartet ist. “Nagut….DER ist sicher nicht falsch unterwegs”, denke ich mir und fahre weiter und ziehe an den B-Fahrern
vorbei. Irgendwie lässig, so viel schneller zu sein *g*. Mit dem Goldi quatschen ist auch ganz cool. Ein lustiges Burscherl, der alte Knacker! Ich will garnicht dran denken was ich gemacht hätte, wäre ich wegen den Klugscheißern umgedreht….!

Bergab überhole ich gefühlt fünfhundert B-Fahrer, die sich nicht so recht nach unten trauen (es ist wirklich so arg viel los). Nervig, aber mein “vorsicht, links, vorsicht, rechts, danke!” wird von allen sehr entgegenkommend wahrgenommen und ich komme super voran. Danke! Ich tu mir bergab einfach leichter als die meisten, fahre aber sicher nicht riskant, weil ich keinen Defekt oder gar einen Sturz gebrauchen kann.

salzkammerguttrophy_6
Beim AP3 und km107 bitte ich meine Betreuer mir eine schön salzige Leberknödlsuppe für den nächsten AP bei km127 aufzuwärmen. Ein Blick auf die Uhr verrät: ich bin fast 2h vor dem Zeitlimit! Juhuuu!

Die nächsten zwei Anstiege (Hochmuth) vergehen in null komma nix. Bei der steilen und technisch anspruchsvollen Abfahrt nach Weißenbach bittet mich ein Streckenposten abzusteigen. Ein paar Meter weiter sehe ich wieso. Leider hat es hier einen anderen Fahrer erwischt. Der Helikopter kreist schon über dem Berg. Gute Besserung und schnelle Genesung an dieser Stelle!

Unten angekommen bekomme ich meine Suppe, ziehe mir eine Jacke und eine kurze regendichte Hose drüber und radel los zum Salzberg. Es beginnt wie aus Kübeln zu schütten. Das Verbindungsstück nervt. Ich fahre mutterseelenalleine den See entlang. Ein paar Zuschauer feuern mich an, das tut gut! Ansonsten ist es einfach ekelhaft, man spürt den Widerstand des Wassers, es ist kalt und pfui. Goldi gibt in Hallstatt auf….

salzkammerguttrophy_7salzkammerguttrophy_8salzkammerguttrophy_9
Beim Salzberg angekommen trete ich noch ein Stück hinauf, bis ich merke, daß ich richtig Hunger bekomme, verdammt! Ich steige ab und esse einen Oatsnack und ein Gel während ich schiebe. Gehen ist hier sowieso besser als Strampeln, wodurch mir der kleine Einbruch so gut wie keine Zeit kostet. Diejenigen die hier fahren, überhole ich später alle wieder zurück…

Nach dem Salzberg geht es hinauf zur Roßalm. Hier fühle ich mich schlagartig wieder top fit und kann mein Tempo noch einmal erhöhen. Bei der Abfahrt hinunter zum Gosausee wird mir saukalt. So kalt, daß ich mit den Daumen nicht mehr schalten kann und unglaublich froh bin meine beiden lieben Betreuer zu sehen. Ich ziehe mir ein frisches Trikot, eine frische Jacke (in meinem Wahnsinn alles über das nasse Zeug drüber…), frische Handschuhe an und tausche mein Kopftuch gegen ein anderes nasses, trinke einen Tee (danke an die Labe!!!) und verspreche unter 14h zu bleiben (was man nicht alles Dummes tut in diesem Irrsinn).

Körperlich “weiß” ich, daß ich keinen Einbruch mehr haben werde. Der kommende 450hm Anstieg wird mir nicht mehr weh tun und innerlich denke ich nur noch an das Ziel und an unter 14h. UNTER 14h!! Ich glaube in diesem Moment wirklich dran, ohne zu wissen was mich noch erwartet….!

Zufällig begegne ich meinen beiden Betreuern noch einmal mit einem Hupkonzert auf der Bundesstraße. Sie kommen gerade von hinten mit dem Auto. Tröröööööööt! Der restliche Weg zieht sich etwas hin, aber ich trete wie ein Vollidiot in die Pedale. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, daß sich bei der Gesamtkilometeranzeige am Tacho was tut, hihi. Noch 5km….lächerliche F-Ü-N-F!

salzkammerguttrophy_10
Das was dann kommt war einfach unbeschreiblich cool. Die Einfahrt nach Bad Goisern, noch eine Schleife durch den Ort…im Wiegetritt vorbei an den applaudierenden Zuschauern….die drei Höhenmeter hinter der Expo hinauf…..die 100m Markierung…die Hände in die Höhe, noch ein zweimal die Freude aus der Brust schreien und über die Ziellinie fahren. Alle jubeln, der Platzsprecher jubelt, ich jubel, es regnet noch immer, wurscht. geil!!!! 13h29min59sek. Wahnsinn! Es ist vorbei, ich habe es geschafft! ICH
DARF MIR DAS T-SHIRT ABHOLEN!!!

salzkammerguttrophy_11salzkammerguttrophy_15salzkammerguttrophy_16
Flo und Walter kommen etwas nach mir ins Ziel. Wir sind alle locker unter den vorgegenenen 16 Stunden geblieben.

salzkammerguttrophy_12salzkammerguttrophy_13salzkammerguttrophy_14
Wow! Wir sind stolz! Am Abend treffen wir unsere Freundinen und Freunde, essen Schnitzel, trinken Bier und sind ziemlich müde. In den Tagen danach geht es uns jedoch erstaunlich gut. Auch die Bikelust ist noch da.

Bad Goisern war genial. Ein super Erlebnis! Noch einmal mache ich das aber nicht. Nicht hier…..

Gratulation an alle anderen Finisher, egal auf welcher Strecke!

Mein Bike war auf der Strecke eine Waffe…. 150/160mm Federweg…ich bin mir zwischenzeitlich zwar vorgekommen wie ein Endurofahrer beim MotoGP, aber letzten Endes war das Radl sehr sehr brav und schnell.

…sodala, und jetzt nehme ich meine Form mit in die Berge, wo Zeit keine Rolle spielt. Bis bald, Martin!

Ergebnis (AK2 136 Teilnehmer im Ziel)

Martin: 13:29:59 (AK2: 40. Platz)
Flo: 14:11:05 (AK2: 57. Platz)
Walter: 14:42:36 (AK2: 73. Platz)

Next Post

Previous Post

5 Comments

  1. Toni Nemeth Sun, 11. Nov 2018

    Hallo Martin,

    Gratuliere für deine Leistung! Bin vol motiviert nächstes Jahr selbt die Herausforderung anzunehmen.
    Eine Frage: Bist du mit einem Liteville 301 bestück gewesen?
    27,5 oder 29?
    Über eine Antwort würde ich mich freuen!
    lg
    Toni

  2. Marco Sat, 07. Jun 2014

    Klasse Bericht! Hört sich dennoch locker an:-). Ich habe es mir dieses Jahr auch vorgenommen. Bin 40ig geworden und da muss noch was gehen. Die Trainingbedingungen sind bei mir, wie wahrscheinlich bei vielen nicht Optimal. Flachländer, Familie und Job. Ich hab natürlich Schiss und alle Raten mir davon ab. Körperlich mache ich mir nicht so die gedanken, denn ich denke dieses Rennen ist zu 80% Kopfsache.Oder?
    In der Hoffnung das das noch einer liest und mir 5 Wochen vor dem Rennen noch ein Tip geben kann.

    Grüße Marco

  3. Stenzengreither Sat, 24. Nov 2012

    Coooooool! Das Rennen, Bier trinken, Schnitzel essen, diesen tollen Bericht schreiben……. echt viel geschafft in 16 Stunden!

  4. Carolibouli Sat, 24. Nov 2012

    Spannend!!!.

  5. dave Tue, 13. Nov 2012

    Gratuliere Du Tier! ;-)

Leave a Reply

© 2024 Above the Ordinary

Theme by Anders Norén